Wie und wo alles anfing:
Die Geschichte des Junggesellenvereins Eintracht Siegburg Mülldorf
Von welchem Geist der Junggesellenverein nach dem Willen seiner Gründer im Jahre 1885 getragen sein sollte, ergibt sich aus den bis heute nahezu unveränderten Statuten. Neben der Pflege des heimatlichen Junggesellenbrauchtums und der Veranstaltung eigener sowie der Teilnahme an auswärtigen Festen und Fähndelschwenken ging es vor allem darum, "durch gemütliche Zusammenkunft alle Unordnungen und Rohheiten zu bekämpfen sowie Ordnung unter den Junggesellen zu pflegen und anzustreben." Irgendwelche politische Tendenzen sind von den regelmäßig jeden Monat stattfindenden Versammlungen ausgeschlossen, wie die Vereinssatzung bestimmt; vielmehr sollen die Zusammenkünfte "durch anständige Lieder oder durch ordnungsgemäße Unterhaltungen von den Mitgliedern verbracht werden, wofür der Vorsitzende die Verantwortung übernimmt". Diese Grundsätze haben in der ganzen Zeit des bisherigen Bestehens im Vordergrund des Vereinslebens gestanden. Der Pflege der Junggesellenlieder, die schon in den Versammlungen der Gründer erklangen, wird auch in neuester Zeit noch viel Beachtung geschenkt. Das ist vor allem der Tätigkeit der letzten "Vereinsmusikmeister" Peter Kuttenkeuler, Leo Hönscheid und Josef Mohr zu verdanken...
Einen besonderen Höhepunkt im Vereinsleben stellte das 25-jährige Jubelfest im Jahr 1910 dar, das vornehmlich unter der Leitung des damaligen Vorsitzenden Hermann Finger einen glänzenden Verlauf nahm. Am Vorabend fand ein Fackelzug statt, an den sich ein ausgedehntes gemütliches Beisammensein anschloss. (Ein Glas Bier kostete in jenen Tagen im Höchstfalle 10 Pfennig.) Der eigentliche Festtag begann mit dem gemeinsamen Kirchgang und sodann mit einem zünftigen Frühschoppen. Der frühe Nachmittag wurde mit einem Konzert eingeleitet, und die Frauen und Jungfrauen des Ortes überreichten den von ihnen gestifteten Silberkranz. Es versteht sich, dass auch eine große Anzahl auswärtiger Vereine teilnahm, deren Fähnriche um die Siegespalme stritten, während sich die übrigen schon zum Festball rüsteten. Natürlich konnte ein beträchtlicher Überschuss erzielt werden, so dass der Verein es sich leistete, im Jubeljahr und den darauffolgenden Jahren zum Jahresausflug nach Linz, nach Eitorf und ins Bröltal sich einen mit zwei PS bespannten Wagen zum Preis von 15 Mark einschließlich Treibstoff –sprich Hafer- zu mieten.
Wenn auch im Jahre 1914 infolge des Krieges die Vereinstätigkeit völlig zum Erliegen kam und der Krieg die Zahl der Vereinsmitglieder erheblich schmälerte, fanden sich doch im Jahre 1919 bereits 14 Junggesellen zusammen, die dem Verein neues Leben gaben, so dass bald wieder Stiftungsfeste, gemütliche Abende, Preisfähndelschwenken und die monatlichen Sitzungen abgehalten werden konnten. Der Festfreudigkeit glaubte jedoch im Jahre 1922 das Finanzamt abhelfen zu müssen, da es plötzlich mit einer Forderung von 8500 Mark rückständiger Vergnügungssteuer an den Verein herantrat. Ob diese Summe jemals beglichen wurde, ist allerdings der Chronik nicht zu entnehmen, wenn auch die Kasse im Mai 1923 bei einem Monatsbeitrag von 100 Mark einen Bestand von 87780 Mark aufwies (Gegenwert: allenfalls drei Zigaretten). Das veranlasst sogar zu der Überlegung, ob man sich nicht bei den Wahlen im Jahre 1924 seitens des Vereins um Sitz und Stimme im Reichstag und im Gemeindeparlament bemühen sollte, um die Besteuerung der Junggesellenvereine zu verhindern.
Bald darauf folgte jedoch die Zeit der allgemeinen Arbeitslosigkeit, und nur wenige Mitglieder standen im Verdienst. Bei den Monatsversammlungen wurde also ein Lastenausgleich durchgeführt: Die Zeche wurde unter denen aufgeteilt, die in Arbeit standen. Das in jener Zeit das Vereinsleben überhaupt florieren konnte, dass der Verein sogar Feste mit einem derartigen Massenandrang veranstaltete, dass viele unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten, das ist auf die rührige Arbeit des damaligen langjährigen Vorsitzenden Jean Mülln zurückzuführen, der zu unserem diesjährigen Jubelfest in dankenswerter Weise den Vorsitz im Festausschuss übernommen hat. Mit straffer Hand leitete er die Monatsversammlungen, von denen, wie der Chronist bemerkt, nur eine einzige vor Eintritt der Polizeistunde bereits geschlossen wurde. Die lange Ausdehnung der Sitzungen zeigt, dass das Vereinsprinzip der Gemütlichkeit gerade in jener Zeit besonders gepflegt wurde. Im Jahre 1929 übernahm Peter Piel die Leitung des Vereins. Auch sein Name wird mit der Geschichte des Junggesellenvereins stets verbunden bleiben. Die glänzend verlaufenen Stiftungsfeste jener Jahre wurden nur durch das feierliche Einholen einer neuen Fahne übertroffen, die mit Blasmusik an der Bahn abgeholt wurde und Anlass zu einem Fahnenweihfest in großem Rahmen mit Festkommers aller Ortsvereine und einem stark besuchten Preisfähndelschwenken gab. Mit dieser Fahne konnte der damalige Fähnrich Fritz Sennscheid die bisher größten Erfolge für den Verein erzielen.
Im Jahr 1935 errang er sogar die Kreismeisterschaft. In die gleiche Zeit fiel auch das 50 jährige Stiftungsfest, das natürlich wieder einmal als besonderer Höhepunkt im Vereinsleben gekennzeichnet ist. Das Fest hatte einen derartigen Zulauf, dass nach dem unter größter Beteiligung statt gefundenen Festkommers am Vorabend am Geburtstag des Vereins in zwei Sälen geschwenkt und getanzt wurde, so das auch für den Junggesellenverein eine beachtliche Summe einkam.
Es muss auch von den Krisen berichtet werden. Im Jahre 1937 erlahmte das Interesse der Junggesellen immer mehr und der Verein drohte sogar einzugehen. Da griff in höchster Not der langjährige frühere Vorsitzende Jean Mülln energisch ein, und es gelang ihm, der Junggesellen neuen Auftrieb zu geben und den Verein wieder in die traditionelle Höhe zu bringen. Als dann im Jahre 1940 unser verdienter Alterspräsident Peter Kuttenkeuler den Vorsitz übernahm, bestand kein Anlass mehr zu weiterer Sorge um den Verein. Peter Kuttenkeuler war es, der die "Eintracht" über den Krieg hinweg rettete und dem Verein schon im November 1945 neue Impulse gab, so dass schon bald, wenn auch mit "Dünnbier", das 60 jährige Stiftungsfest abrollen konnte. Die schwere Nachkriegszeit vermochte an der Eintracht dank der aufopferungsvollen Tätigkeit des Vorsitzenden Kuttenkeuler nicht zu rütteln. Von ihm ging die Leitung des Vereins 1947 auf unseren jetzigen Ehrenpräsidenten Bernd Lülsdorf über, der bis zu seiner Hochzeit im Jahre 1954 die Geschicke des Vereins geradezu meisterhaft lenkte. Alle Schwierigkeiten – und deren waren nicht wenige – wurden überwunden.
Stiftungsfeste wurden wie in alter Zeit gefeiert, und nach Kräften pflegte man auch die Beziehung zu anderen Junggesellenvereinen. Karneval und Kirmes wurden weitgehend von der "Eintracht" gestaltet. Ostern 1949 fand eine große Fahrt nach Hohenlimburg statt, die drei tage andauerte und einen Höhepunkt nach dem anderen brachte, so dass schließlich nicht ein Pfennig mehr die Junggesellen auf die Heimreise begleitete. Das 65 jährige Stiftungsfest im Jahre 1950 war erstmalig mit einer Wiedersehensfeier der ehemaligen Mitglieder verbunden, die sich in stattlicher Anzahl einfanden und lebhaft alte Erinnerungen austauschen. Die Kirmes 1953 brachte eine seitdem zur Tradition gewordene Bereicherung des Mülldorfer Kirmeslebens, die Verurteilung des Kirmeskerls am Kirmesdienstag.
Im Mai 1954 heirateten der erste Vorsitzende Bernd Lülsdorf und der zweite Vorsitzende Fritz Keller gleichzeitig, und diese Doppelhochzeit war für die Junggesellen, die alle eingeladen waren, das Fest des Jahres. Den Vorsitz übernahm alsdann Martin Daufenbach, der den Verein in der bewährten Art seines verdienten Vorgängers Bernd Lülsdorf mit großem Erfolg weiterführte. Er leitete die zweite große Wiedersehensfeier, auf der er etwa 100 ehemalige Mitglieder begrüßen konnte. Das Fest wird allen Beteiligten in lebhafter Erinnerung bleiben. Viel Beifall fanden die Geschichten aus alten Zeiten, die zwischen den Weisen einer Blaskapelle von unseren früheren Mitgliedern Jean Mülln, Jean Schmitz und Peter Piel zum Besten gegeben wurden. Bis zum Morgengrauen blieb man zusammen. Seit dem Jahr 1958 leitet unserer heutiger Vorsitzender Herbert Stahl mit Geschick und Umsicht den Verein. Zu den Hochzeiten im Dorf steuerte die "Eintracht" zur Freude aller Beteiligten ihre Lieder und Sprüche bei.
Die Stiftungsfeste und Jahresausflüge waren wieder von großem Erfolg gekrönt...
Die Festtage am 11. und 12. Juni 1960 sind als einer der Höhepunkte in die Vereinsgeschichte eingegangen. Die damit verbundene dritte Wiedersehensfeier der Ehemaligen, die teils von weit angereist waren, fand ein hervorragendes Echo. Die Fülle im Vereinslokal Käthi Hupperich (bisher einziges weibliches Ehrenmitglied) war fast beängstigend, und die Stimmung war bei den Erzählungen vieler Anekdoten aus früherer Zeit nicht zu übertreffen. Am Festsonntag stand der Ort ganz im Zeichen der "Eintracht". Unter lebhafter Beteiligung zahlreicher auswärtiger Vereine konnte der Bevölkerung ein höchst eindrucksvolles Bild alter Junggesellentradition mit Fähndelschwenken einer Vielzahl von Fähnrichen vermittelt werden.
Die Erwartungen, die Ehemaligen und Mitglieder in der Weiterentwicklung des Vereins setzten, wurden gewiss nicht enttäuscht. Aus der Fülle der Ereignisse sei nur Weniges herausgegriffen.
Da ist zunächst die berühmte Hollandreise, das bisher einzige Auslandsunternehmen des Vereins, zu erwähnen, die den Verein unter Beteiligung der Ehrenmitglieder nach Amsterdam führte. Es ist hier nicht der Ort, die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu schildern, die uns bei der abendlichen Bootsfahrt durch die Grachten und den Hafen eindrucksvoll gezeigt wurden. Einige kleine Erlebnisse am Rande, die den Beteiligten stets in Erinnerung bleiben werden, rundete den vollen Erfolg der Reise ab. So wurde einem Teilnehmer der Einlass in das für den Dämmertrunk vorgesehene Lokal versagt, weil er wegen der sommerlichen Hitze keine Krawatte trug. Der Vorsitzende löste das Problem auf seine Weise. Hinter dem Rücken des Portiers schmuggelte er seinen eigenen Schlips aus dem Lokal, so dass auch das betroffenen Ehrenmitglied mit dem Zeichen männlicher Würde den Pförtner zu überzeugen vermochte. Beim sonntäglichen Kirchgang waren wir nicht darauf vorbereitet, dass viermal kollektiert wurde. Als einem Beteiligten dabei das Kleingeld ausging, konnte der Kollektant wechseln, was dann auch geschah. Auch die Rückfahrt brachte viel Spaß; eine Mischung von Seewasser und Suppenwürze ließen sich einige durstige Kehlen als "Gespritzter" vorsetzten, aber sie verzogen keine Miene.
Der Verein blieb jedoch nicht von einem schweren Schicksalsschlag verschont, der die "Eintracht" besonders hart getroffen hat. Einer der Aktivisten, der sehr erfolgreiche Fähnrich Hans-Peter Zumhoff, stürzte am 30. April 1963 beim Maibaumsetzen ab und verletzte sich tödlich. Im Alter von 22 Jahren musste er, der den anderen stets Vorbild war, sein leben hingeben. Der Tod des jungen Fähnrichs, der dem Verein durch seine Leistungen zu großem Ansehen auch außerhalb der Heimat verholfen hatte, riss eine empfindliche Lücke. Die "Eintracht" wird ihm ein stets ehrendes und würdiges Gedenken bewahren.
Das Vereinsleben ging weiter. Von Herbert Stahl übernahm Helmut Hupperich den Vorsitz, von ihm Friedhelm Wiehlpütz,, unter dessen geschickter Leitung das 50 jährige Stiftungsfest im Jahre 1965, das auch mit einer Wiedersehensfeier verbunden war, mit großem Anklang und Zuspruch gefeiert wurde. Seine Nachfolger waren Peter Buchholz und Wilfried Lülsdorf. Heute leitet Willi Wilbertz den Verein im 85. Jahr seiner Geschichte...
In diesem Jahr bekleidet die Königswürde einer der erfolgreichsten Fähnriche des Vereins, Peter Josef Ludwig, der bei der Bundesmeisterschaft im Fähndelschwenken 1968 in Ohlenberg einen stolzen 6. Platz und 1969 in Vettelschoß sogar den 4. Platz errang.
(Auszüge aus der Festschrift zum 85-jährigen Stiftungsfest geschrieben von Dr. Bert Minz im Jahre 1970)
Anfang der Siebziger Jahre schlief das Vereinsleben ein, der letzte König wurde 1972 gekrönt.